Als Egoverstand bezeichne ich eine Gedankenstruktur, die sich ständig selbst in ihrer Existenz zu bestätigen versucht. Bewusstsein, dem Gedanken erscheinen, hat eine selbstreflektierende Qualität, ähnlich einem Spiegelkabinett. Was erscheint ist einer Fata Morgana gleich, denn Gedanken sind substanzlos wie Wolken. Sie spiegeln einander endlos und lassen dadurch ein separat und eigenständig existierendes Ich annehmen, das bei genauerem Hinsehen nicht existiert.

Diese Gedankenstruktur beinhaltet das Bild, das Du von Dir machst und eine ganze Reihe von bewussten und unbewussten Perspektiven und Abstraktionen über die Welt und die Anderen. Vereinfacht gesagt sind es Wahrnehmungsfilter, die sich nach und nach in die Wirklichkeit einfügen. Im Laufe der Sozialisierung werden sie ungeprüft geglaubt und zu unbewussten, verborgenen Mustern. Diese Muster hinterlassen Spuren in der Biochemie des Körpers, den Verschaltungen im Gehirn und im Nervensystem. Der persönliche Leidensweg beginnt, wenn wir sie für wahr halten.

Der Egoverstand jedoch ist keine Wesenheit und er ist nicht Du! Er ist eine Sammlung von Gedanken, mit denen Du Dich irrtümlicherweise und gewohnheitsmäßig identifizierst. Die Gedanken selbst sind kein Problem, es ist die Identifikation damit. Wir leiden unter einer fälschlichen Identifikation und stellen sie in das Zentrum des Erlebens. Alles dreht sich von nun an um „mich“. Am Ende steht das „Ich“ im Zentrum des Universums, alle anderen sind nur Komparsen in seiner Geschichte. In Wahrheit ging es nie um Dich. Für alle anderen geht es auch nicht um Dich, denn sie sind das Zentrum ihrer eigenen Welt, die sich um sie selbst dreht. Wir alle leben in unseren eigenen, im inneren verspiegelten Blasen. 

Der Egoverstand ist der ewige Suchende. Er sucht Zuwendung, Anerkennung, Sicherheit, Beständigkeit, Zufriedenheit, Glück und eine dauerhafte Identität. Er wittert sie in materiellen Dingen, Besitz, Erfolg, Beziehungen, Wissen, Erlebnissen, Genuss. Gibt er sich den spirituellen Anstrich, so sucht er nach Erleuchtung und Befreiung. Vollmundig wird er erklären (und glauben), dass er Deine wahre Natur finden kann, wenn ihm nur einer erklärt, wie! Klar, dass das zum Scheitern verurteilt ist. Warum? 

Einerseits sucht er, um zu suchen - und weil er das Drama liebt. Tatsächlich ist es nicht seine Aufgabe zu finden, daher ist er auch nie dauerhaft zufrieden. Hast Du Dich schon mal gefragt, warum, wenn es eine Lösung für ein Problem gibt, plötzlich die nächsten sprießen, gleich den nachwachsenden Köpfen der mythologischen Hydra? Für den Egoverstand wird es nie ein Ende der Suche geben, nie den rundum erfüllten, sorglosen und problemfreien Zustand. Das liegt in seiner illusorischen „Natur“. 

Andererseits ist der Egoverstand nur eine Sammlung an Gedanken, die die Wahrnehmung filtern. Wie soll ein illusorischer Gedanke sich selbst als Illusion erkennen und auflösen? Gedanken können nicht über sich selbst hinausgehen. Sie beziehen sich stets nur auf weitere Gedanken. Ein endloser Kreislauf.